Der Mesnerdienst in der Klosterkirche
Christof Tränkle
Am 1. April vor 37 Jahren trat ich mein Amt als „Kasualienmesner" in Bebenhausen an und bin seitdem mit der Organisation und Betreuung der vielen Trauungen und inzwischen auch etlicher Taufen in unserer schönen Klosterkirche betraut. Darüber hinaus nehme ich aber längst auch und nicht erst seit meiner Mitgliedschaft im Kirchengemeinderat am sonntäglichen „Reihum-Mesnerdienst" der Kirchengemeinderäte teil.
Hier möchte ich nun einmal darlegen, wie ich als doch noch recht junger Mann (mit noch nicht einmal 30 Jahren) zu dieser Tätigkeit für unsere Bebenhäuser evangelische Kirchengemeinde gekommen bin. Dazu gibt es sozusagen eine persönliche Vorgeschichte: In meinem Geburtsort Mergelstetten, einem Stadtteil von Heidenheim an der Brenz, bin ich in einer kirchlich geprägten Familie aufgewachsen (mein Vater war viele Jahre Kirchengemeinderatsmitglied und meine Mutter hat über 50 Jahre im Kirchenchor gesungen). So war mir das dortige recht interessante Kirchengebäude seit Kinderkirchzeiten eng vertraut, und in Jugendjahren bin ich dort immer wieder als „Mesnergehilfe" dem schon etwas älteren Mesnerehepaar zur Hand gegangen.
Mesnergehilfe" ist übrigens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Württemberg ein ganz offizielles Amt gewesen. Bis zum Jahr 1900 war nämlich das Amt des Mesners mit dem des Schullehrers verbunden. Nun sind aber den örtlichen Lehrern die „niederen Kirchendienste" wie das Reinigen der Kirche, das Läuten der Glocken und das Aufziehen der Turmuhr zunehmend lästig geworden, weshalb ihnen ab etwa 1850 gestattet wurde, sich für diese Tätigkeiten einen „Mesnergehilfen" anstellen zu lassen. Als dann im Jahr 1900 durch königlichen Erlass den Lehrern die Verpflichtung zum Mesnerdienst abgenommen wurde, ist in den meisten Gemeinden der Mesnergehilfe einfach zum Mesner geworden, was allerdings leider zu einer lang währenden Geringschätzung dieses schönen Amtes beigetragen hat.
Ich konnte also, als ich nach Bebenhausen kam, schon auf eine gewisse praktische Erfahrung in der Tätigkeit eines Mesners zurückblicken. Noch als Student in Tübingen fand ich immer wieder Arbeit während der Semesterferien in dem seit 1973 im Bebenhäuser Schulhaus untergebrachten Landesdenkmalamt. Bei dieser Gelegenheit lernte ich dort die damalige blinde Organistin Erika Pfeiffer kennen, der ich auch einmal von meiner früheren Tätigkeit als Mesnergehilfe erzählte. Als dann der damalige
„Hochzeitsmesner" aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste, bat sie mich, doch für wenigstens eine Saison mich zur Verfügung zu stellen, damit es mit den Hochzeiten in Bebenhausen weitergehen könne. Nach einigem Zögern (ich hatte ja inzwischen eine Stelle an einem Böblinger Gymnasium angetreten) ließ ich mich zugegebenermaßen insbesondere von der Einmaligkeit des Handgeläuts verlocken, mich dem Kirchengemeinderat als Mesnerbewerber vorzustellen. In Mergelstetten war ich nämlich nicht mehr in den Genuss des Handläutens gekommen, da dort anlässlich der Beschaffung einer vierten Glocke 1958 das Geläute elektrifiziert worden war und ich vorher das Alter der Läutejungen noch nicht erreicht hatte. So musste ich also bei der ersten Trauung, die bereits am 1. April 1978 stattfand, fürs Läuten einen Freund, der als Ministrant noch am Glockenstrang gezogen hatte, um Hilfe bitten, da ich dies ja noch nicht hatte lernen können.
Nach dem Ende dieser Hochzeits-"Saison" bat mich allerdings der damalige Pfarrer dringend weiterzumachen. Die Organisation der auswärtigen Trauungen bedeutete für ihn ja eine erhebliche Entlastung angesichts der Betreuung von zwei Gemeinden. Und so kam es, dass ich am 25. Dezember in einem feierlichen Christfestgottesdienst durch Pfarrer Mattem in das Amt des Bebenhäuser Kasualienmesners eingesetzt wurde.
In meinen ersten Jahren des Mesnerdienstes ist mir sozusagen als „gelerntem" Mesner manches hier in unserer Klosterkirche recht merkwürdig, wenn nicht gar befremdlich vorgekommen: So war es damals zum Beispiel üblich, dass sofort nach jedem Gottesdienst - meist in Windeseile - der Altar vollständig abgeräumt werden musste, alle Paramente abgenommen wurden und man jedes Gesangbuch im Sakristeischrank verwahrte. Mir lag aber am Herzen, dass gerade die vielen Klosterbesucher auch unter der Woche erkennen sollten, dass es sich um eine im gottesdienstlichen Gebrauch befindliche Gemeindekirche handelt und nicht um ein Museum. Immerhin konnte ich bald erreichen, dass ich, wenn ich einmal Sonntagsdienst hatte, Kerzen und Bibel auf dem Altar wenigstens bis zum Sonntagabend stehen lassen durfte. Auch sonst ist mir im Laufe der Jahre das Eine oder Andere in Aug und Sinn gekommen, was sich am Erscheinungsbild des Kirchenraums noch verbessern ließe. Dabei kam mir zugute, dass in den ersten Jahren als Hochzeitsmesner mir hin und wieder Brautpaare eine persönliche Geldzuwendung zukommen ließen. Diese „Trinkgelder" sparte ich alle an, um davon Anschaffungen für die Kirchenausstattung zu tätigen, die mir erstrebenswert erschienen, beispielsweise das „Mesnerbänkle", Altardecke, Kruzifix und Altarleuchter für den Aufbahrungsraum in der Alten Sakristei, oder auch eine Mitfinanzierung des Lesepults. Auch dass ein Rest des ehemaligen Chorgestühls von der Königsempore (wo man es ja nicht sehen konnte) heruntergeholt und im Chorraum aufgestellt, dass ebenso der alte Taufstein aus der Alten Sakristei heraus wieder im Kirchenraum platziert wurde (wo er ja nun seit einiger Zeit auch eine spezielle Funktion hat), konnte ich schließlich im Kirchengemeinderat erreichen.
Aus den inzwischen 37 Jahren meines Mesnerdienstes in der Klosterkirche ließe sich vieles berichten, insbesondere natürlich von den unterschiedlichsten Trauungen, die ich begleitet habe: Schönes und Gegenteiliges, Erheiterndes und Tragisches und auch sonst Merkwürdiges im wörtlichen und übertragenen Sinn. Dass mir unsere Kirche in diesen langen Jahren mehr und mehr ans Herz gewachsen und der Dienst in ihr zu einer zentralen Komponente meines Lebens geworden ist (ob es wohl Jemanden gibt, der längere Zeit darin verbringt?), wird, denke ich, durchaus nachvollziehbar sein. Dass ich aber in diesem Dienst längst den Zenit überschritten habe, wird mir allerdings nun das eine oder andere Mal zunehmend deutlicher bewusst, auch wenn mir bisher noch ein Leben ohne diese Mesnertätigkeit kaum vorstellbar erscheint. So hoffe ich natürlich, noch etliche Jahre (wenn vielleicht auch später einmal in einem etwas reduzierten Umfang) mein Mesneramt ausüben zu können.
Beruflich und privat bildeten ja Geschichte und Kunstgeschichte seit jeher einen Schwerpunkt meines Interesses, und die Bebenhäuser Klosterkirche passt natürlich geradezu ideal in diese meine persönliche Prägung. Und so bekenne ich ganz ehrlich, dass ich Mesnerdienst in einem modernen Kirchenraum oder gar Gemeindesaal nicht hätte ausüben wollen oder können. Alles in allem aber habe ich in meinem Bebenhäuser Mesnerdienst mich stets leiten lassen von dem Psalmwort, das von Mendelssohn so eindrücklich schön vertont wurde: Psalm 26, 8 "Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort. da deine Ehre wohnet".