Aus der Geschichte der
evangelischen Kirchengemeinde Bebenhausen
Mit der Einführung der Reformation in Württemberg (1534) wurde die Zisterzienserklosterkirche Bebenhausen, wie die übrigen Klosterkirchen im Herzogtum Württemberg, ausschließlich für den evangelischen Gottesdienst bestimmt. Da in Bebenhausen eine Klosterschule eingerichtet wurde, die von 1556 bis 1807 bestand, bildete sich in Bebenhausen in dieser Zeit eine evangelische »Klostergemeinde«. Diese umfasste die Schüler des Seminars sowie die Familien des Schulvorstehers (Prälat/ev. Abt), der Lehrer (Präzeptoren) und des Klosterverwalters.
Die ehemalige Klosterkirche erfüllte aber von Anfang an über diese Funktion als Seminarkirche hinaus auch die einer Pfarrkirche für die übrigen Bewohner des kleinen Orts, der sich schon zur Zeit der Zisterzienser um das Kloster gebildet hatte. Diese Dorfbewohner waren in der Regel »Offizianten«, d.h. als Handwerker und Dienstboten für den Selbstversorgerbetrieb der Klosterschule tätig. Etwa 10 0/0 der heutigen Einwohner Bebenhausens sind Nachfahren dieser »Klosteroffizianten«. Der Gottesdienst in der Klosterkirche wurde in der Regel vom Prälaten selbst, oder, da dieser als Generalsuperintendent häufig zu Visitationen auswärts weilte, öfter noch von einem der Präzeptoren, die auch ausnahmslos Theologen waren, gehalten.
Klosterkirche um 1880
Klosterkirche 1955
In der jungen Kirchengemeinde, die weiterhin parochiall von Lustnau aus betreut wurde, aber jetzt nicht mehr nur als »Pfarrfilial«, bestand von Anfang an der Wunsch nach einem eigenen Seelsorger, denn Gottesdienste fanden nur alle vierzehn Tage statt. Das Königliche Evangelische Konsistorium lehnte jedoch bereits 1830 den Antrag der Gemeinde auf Wiedereinrichtung eines Pfarrvikariats in Bebenhausen ab, denn es »sey für die religiösen Bedürfnisse der aus 130 Einwohnern bestehenden Gemeinde hinlänglich gesorgt, da diese ohnehin nicht imstande sey, den zur Unterhaltung eines PfarrVikars erforderlichen Beytrag zu leisten«. Auch weitere gleich lautende Anträge wurden immer wieder abgeleht.
Irgendeine Änderung des im Gemeindevertrag 1823 festgelegten Zustands ist auch in dem »Ausscheidungsvertrag« von 1891, nach Trennung der Kirchengemeinde von der bürgerlichen Gemeinde, nicht erkennbar, und so gehen auch spätere Verträge zwischen den beteiligten Institutionen Land, bürgerliche Gemeinde (seit 1974 deren Rechtsnachfolgerin Stadt Tübingen) und Kirchengemeinde stets ganz selbstverständlich auch von dieser längst gewohnheitsrechtlichen Situation aus. Selbst als die ehemalige Klosterkirche Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem unter König Wilhelm II. und Königin Charlotte zeitweise eine Art Zusatzfunktion als Hofkirche bekam, schlug sich dies nicht in einer speziellen Nutzung, sondern nur in der zeitweiligen Bezeichnung »Schlosskirche« nieder.
Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung, vor allem seit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts, stellen sich die Rechts- und Eigentumsverhältnisse der Klosterkirche heute etwas kompliziert dar.
Eigentümer ist wie bei fast allen ehemaligen Klosterkirchen das Land Baden-Württemberg, das auch den baulichen Unterhalt zu bestreitenhat. Das ausschließliche Nutzungsrecht wird aber uneingeschränkt von der evangelischen Kirchengemeinde wahrgenommen. Ein Bebenhäuser »Sonderfall« sind schließlich die vier Glocken: Sie sind 1891 im Besitz der bürgerliehen Gemeinde verblieben, sodass die Stadt Tübingen als ihre Rechtsnachfolgerin heute für Reparatur und Unterhalt zuständig ist. Nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob damals auch der Altar und die Kanzel in Gemeindebesitz übergegangen waren. Diese sind im »Kaufbrief für die Bebenhäuser-Gemeinde« von 1823 nicht aufgeführt. Doch in der vom Königlichen Kameralamt Lustnau erstellten »Gebäude-Beschreibung vom Jahr 1830« ist festgehalten: »Der Altar, die Kanzel, die Orgel, die Kirchenstühle sowie sämtliche übrige Geräthschaften, ist Eigenthum der Gemeinde .
Unter den 238 Einwohnern im Jahr 1867 waren lediglich fünf Katholiken. Durch den Zuzug von katholischen Forstbeamten und Angestellten des Hofes änderte sich dies zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine weitere Veränderung der Bevölkerungsstruktur im Dorf brachte vor allem der Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg mit sich. Von den derzeit 330 Dorfbewohnern gehören knapp 50 % (1988: 66 %) der evangelischen und etwa 13 % (1988: 12 %) der katholischen Kirche an.
Die heutige evangelische Kirchengemeinde Bebenhausen ist nach wie vor eine selbständige Pfarrgemeinde, eine der kleinsten der württembergischen Landeskirche mit eigenem Kirchengemeinderat und eigener Kirchenpflege (Finanzverwaltung), die aber parochial weiterhin vom Pfarramt Tübingen-Lustnau Nord mitversorgt wird.
Die katholischen Dorfbewohner sind Mitglied der katholischen Kirchengemeinde St. Petrus in Tübingen-Lustnau; für Hochzeiten und Beerdigungen wird jedoch auch ihnen die Klosterkirche zur Verfügung gestellt.
»Bebenhäuser Dialoge« war der Titel einer 2001 begonnenen und bis 2010 durchgeführten neuen Form der Veranstaltung im Kloster, die vom Evangelischen Kirchenbezirk Tübingen, der Evangelischen Kirchengemeinde Bebenhausen und dem Ortschaftsrat Bebenhausen gemeinsam getragen wurde. Ausgangspunkt für diese Reihe waren Überlegungen, wie das Kloster in seiner Nutzung öffentlich so profiliert werden kann, dass die Ausstrahlung der Räume und ihre Spiritualität zum Ausdruck kommen. Dabei ging es nicht um eine Historisierung des Ortes oder um die Wiederaufnahme mönchischer Ausdrucksformen. Vielmehr sollte die klösterliche Spiritualität mit heutiger Welt- und Lebenserfahrung ins Gespräch kommen.
Die evangelische Kirchengemeinde Bebenhausen ist auch Mitglied in der »Gemeinschaft Evangelischer Zisterzienser-Erben in Deutschland« und nimmt mit einer Vertreterin an deren Treffen teil, die in jedem Jahr in einem anderen Zisterzienser-Klosterort stattfinden.
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