Die Elemente des Gottesdienstes Die Predigt

Die Grundform des evangelischen Gottesdienstes in Württemberg ist der sogenannte Predigtgottesdienst. Und auch wenn wir monatlich und an den Festta­gen im Gottesdienst Abend­mahl feiern oder Taufen, so gehört die Predigt selbst­verständlich dazu. Seit der Reformation hat die Predigt in den protestantischen Kirchen einen ganz besonde­ren und wichtigen Stellenwert. Den Reformatoren, Luther voran, war es wichtig, dass die Gläubigen mit dem grundlegenden Dokument unseres christlichen Glaubens vertraut wer­den. Neben der Verbreitung der Bibel in deutscher Sprache, mit der bald Generationen von Kindern lesen lern­ten, war die Predigt ein wesentlicher Baustein, diesem Ziel näher zu kom­men. Denn Grundlage der Predigt ist in aller Regel ein Abschnitt aus den Schriften der Bibel: ein Prophe­tenwort, ein Gleichnis Jesu oder ein Teil eines Paulusbriefes. In der so genannten Perikopenordnung ist für jeden Sonntag des Kirchenjahres ein biblischer Text als Grundlage für die Predigt festgelegt.

Was ist nun aber eine Predigt?

Predigen kommt vom lateinischen „praedicare“ und bedeutet „öffentlich kundmachen“. Beauftragt sind damit in der Regel Pfarrerinnen und Pfarrer oder „Prädikanten“, Gemeindeglieder mit einer beson­deren Ausbildung und kirchlichen Beauftragung.

Aus dem Neuen Testament lassen sich verschiede­ne Grundaspekte für die Predigt ableiten. Dazu zählt zunächst die „öffentliche Bekanntmachung des Evan­geliums“. Im Römerbrief sagt Paulus: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi“ (Römer 10,17). Ein weiterer Gesichts­punkt ist die Lehre, verbunden mit der persönlichen Anrede: „.... und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ – so Jesus nach Matthäus 28,20. Und schließlich wird die Gemeindepredigt in der Ver­sammlung der Christen mit einem griechischen Wort beschrieben, das die doppelte Bedeutung von „ermah­nen“ und „trösten“ hat.

Das sind meines Erachtens bis heute wichtige Eck­punkte einer Gemeindepredigt. Predigt ist der Versuch, das Evangelium, die frohe Botschaft wie sie in den Schriften des Alten und Neuen Testaments bezeugt wird, mit heutigen Zeitgenossen zu ‚versprechen’. Dabei gehen wir davon aus, dass in der Bibel Grundfra­gen menschlicher Existenz zur Sprache kommen, die auch für uns Menschen heute Bedeutung haben: Glück und Leid, Schuld und Vergebung, Liebe und Hass, Tod und ewiges Leben. Ziel der Predigt ist, die alten Glaubenszeugnisse in einen Dialog mit den Hörern zu bringen. Predigt ist also kein Monolog, obwohl in der Regel nur ein Mensch redet, sondern der Versuch eines Dialogs. Und zwar eines dreifachen Dialogs: zum einen zwischen Prediger/ in und Text, zum anderen zwischen biblischem Text und Gemeinde und schließlich zwi­schen dem „lebendigen Wort Gottes“ und der Gemeinde. Denn Jesus hat seine Gegenwart fest versprochen, wenn er sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mat­thäus 18,20). Wenn diese Verheißung in Erfüllung geht, wenn Menschen durch die Predigt berührt, getrös­tet, vergewissert und zum Handeln bewegt werden, ist es jedoch nicht das Verdienst des Predigenden, son­dern das Wirken des Heiligen Geis­tes.

Das Evangelium tröstet, stärkt und ermutigt Menschen, aber es stellt das Tun von Menschen auch in Frage. In ihm begegnet uns ein echtes Gegen­über und nicht nur ein weich gezeichnetes Traumbild von uns selbst. In ihm können wir die ungeschmink­te Wahrheit über unsere Welt und uns selbst erfahren. Darum muss es zuweilen auch unbequem, sperrig und störend sein.

Und deshalb darf, ja muss eine Predigt, die die Bot­schaft der Bibel und die Menschen, die sie hören, ernst nimmt, auch bisweilen unbequem, sperrig und störend sein.

Dabei ist es gut, wenn man dem Prediger abspürt, dass er selbst Adressat des Textes ist und er auch eigene Fragen und Zweifel zur Sprache bringt.

Und es ist schließlich gut, dass die Predigt bei aller Bedeutung, die ihr zukommt, nicht allein steht, son­dern nur ein Teil, wenn auch ein wichtiger, eines Gan­zen ist: des Gottesdienstes, in dem Gott zu uns spricht und wir ihm antworten.

Manfred Harm

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