Michael Sattler und die Täuferbewegung

Wenn man auf dem Radweg von Rottenburg nach Kie­bingen fährt, kommt man in der Nähe des früheren Hinrichtungsplatzes an einem Gedenkstein vorbei, der folgende Inschrift trägt:

Der Täufer Michael Sattler wurde am 20. Mai 1527 nach schweren Folterungen hier am „Galgenbuckel“ durch Verbrennen hingerichtet. Er starb als aufrech­ter Zeuge Jesu Christi. Seine Frau Margaretha und andere Gemeindemitglieder wurden ertränkt und ver­brannt. Sie traten ein für die Taufe derer, die Christus nachfolgen wollen für eine unabhängige Gemeinde der Glaubenden für die Friedensbotschaft der Bergpredigt

Michael Sattlers letzte Worte bei der Urteilsverkündi­gung: „... Ich bin nicht gesandt, über das Wort Gottes zu rechten. Wir sind gesandt, davon zu zeugen. Des­halb werden wir uns unter kein anderes Recht bege­ben ... So wir aber uns dem Gericht nicht entziehen können, sind wir doch bereit, um des Wortes Gottes willen zu leiden, was uns zu leiden auferlegt ist.“

Michael Sattler war radikaler Refor­mator und führender Kopf der süddeutsch-schweizerischen Täu­ferbewegung. Geboren um 1490 in Staufen im Breisgau studierte er an der Universität Freiburg Theologie und Philosophie. Er wurde Mönch und Prior im Benediktinerkloster St. Peter bei Freiburg. Fasziniert durch Luther und Zwingli kam er zu der Erkenntnis, dass „der Mönchsstand ein unchristlicher, betrüglicher und gefährlicher sei“ und verließ 1523 die klösterli­che Gemeinschaft. Er heiratete (wahrscheinlich 1524) die Begine Margaretha. Das Ehepaar Sattler zog nach Zürich, wo es im Frühjahr 1525 eintraf. Dort stießen sie vermutlich durch den aus Rottenburg stammenden Theologen Wilhelm Reublin zur kurz zuvor gegrün­deten Täufergemeinde. Bereits im November 1525 wurde diese nach einer Disputation mit dem Züricher Reformator Huldrych Zwingli vom Rat der Stadt ver­boten, die Täufer wurden ausgewiesen. Im Dezember 1526 gelangte das Ehepaar Sattler nach Straßburg, wo es anfangs Zuflucht und Asyl fand.

Mit Reublin organisierte Sattler eine taufgesinnte Gemeinde. Daraufhin wurden Sattler und weitere Täu­fer auf Veranlassung des Magistrats durch den Straßbur­ger Reformator Martin Bucer verhört. Sattler und die anderen Verhörten bestritten bei dieser Untersuchung den christlichen Charakter der weltlichen Obrigkeit. Man habe als christliche Gemeinde im Konfliktfall Gott mehr zu gehorchen als den irdischen Machtha­bern. Dies zeige sich besonders am Kriegsdienst, zu dem ein wahrer Jünger Jesu sich niemals verpflichten lassen könne. Bucer ließ im Januar 1527 alle Ange­hörigen der Täufergemeinde aus der Stadt vertreiben. Für Sattler stand fest, dass Christus gekommen sei, um alle selig zu machen, die an ihn allein glauben. Nur wer an Jesus Christus glaubt und sich deshalb taufen lässt, wird gerettet. Wesentlich durch Michael Sattler entstanden bei der Täuferkonferenz im Februar 1527 die sogenannten Schleitheimer Artikel als Bekenntnis der wachsenden Täufergemeinde. Unter anderem wird darin die Erwachsenentaufe (Gläubigentaufe) anstelle der Kindertaufe gefordert, dazu die Absonderung von allen, die nicht in Christus sind. Gemeinden sollten das Recht haben, ihren Pfarrer selbst wählen zu kön­nen. Außerdem ist den Mitgliedern der Täufergemein­de untersagt, das Schwert zu führen und Kriegsdienst zu leisten. Sie orientieren sich am Beispiel Christi und seinem gewaltfreien Leben. Michael Sattler wurde am 17. Mai 1527 von den römisch-katholischen Behörden gefangen genommen und nach Rottenburg verbracht. Dort fanden am 17. und 18. Mai die Gerichtsverhandlungen statt. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, ungehorsam zu sein gegenüber den kaiserlichen Befehlen, dass er die Kindertaufe ablehne, dass er Maria und die Heiligen verachte, vor allem aber, dass er Krieg und Kriegs­dienst ablehne. Dazu erklärte Satt­ler: „Christen dürfen niemandem das Leben nehmen, sie können nur Gott um ihren Schutz anrufen. Wenn die Türken gegen Christen in den Krieg ziehen, so liegt es daran, dass sie es als Muslime nicht besser wissen. Menschen, die sich Christen nennen und Türken töten, sind türcken nach dem geist.“ Im abschließenden Urteilsspruch der Richter heißt es: „... dass man Michel Sattlern dem hencker in die hand soll geben, der sol in füren auff den platz vnd jm die zung abschneiden, darnach auff eyn wagen schmiden unnd alda zweimal mit glüenden zangen seinen leip reissen ...“

In den nächsten Jahren breitete sich die Täufer­bewegung in mehreren Gegenden in Europa aus. Große Täufergemeinden gab es in Amsterdam, Müns­ter, Nikolsburg, Heilbronn, Augsburg und Worms. Die Täufer wurden massiv verfolgt, weil sie die Freiheit des Glaubens und brüderliche Gleichheit forderten, was die absolute Herrschaft von Staat und Kirche aus­schloss. Auf dem Reichstag zu Speyer 1529 wurde im sogenannten „Wiedertäufermandat“ beschlossen, die Täufer zu verfolgen und mit dem Tode zu bestrafen. Für die Hutterer und Teile der mennonitischen Bewe­gung bilden die Schleitheimer Artikel bis heute eine wichtige Bekenntnisgrundlage ihrer Lehre.
sg.

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