Mit den Müttern und Vätern des Glaubens verbunden
Die Elemente des Gottesdienstes - Anrufung
„Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung.“ So lautet die Erklärung Martin Luthers zum Gebet. So lernen es auch heute noch unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden wie vor ihnen Generationen junger Christenmenschen. Dinge, die mir auf dem oder am Herzen liegen, gehen mich ganz unmittelbar an; sie sind mir wichtig, sie bewegen und berühren mich in meinem Innersten. Und all das darf ich mit Gott kommunizieren in der Gewissheit, dass er ein offenes Ohr für mich hat und mich mit dem, was mir wichtig ist, ernst nimmt. Darauf dürfen Menschen seit jeher vertrauen. Das gilt für das Gebet ganz allgemein und natürlich auch für das Gebet im Gottesdienst.
Psalm
Im Eingangsteil des Gottesdienstes, in dem wir uns unserem „Gastgeber“, dem dreieinigen Gott, zuwenden, dürfen wir auf einen besonderen Schatz unserer mehrtausendjährigen jüdisch-christlichen Tradition zurückgreifen: auf die Psalmen. Sie bilden den Auftakt unseres Gesprächs mit Gott. Ich bin froh, dass seit einigen Jahrzehnten der im Wechsel zwischen Liturg/in und Gemeinde gebetete Psalm zu einem festen Bestandteil des Gottesdienstes zählt. Und seit der Einführung des Evangelischen Gesangbuchs (EG) im Jahr 1995 finden wir in dessen Psalmauswahl (Nr. 701-770) auch eine angemessene thematische Bandbreite, mit der sich schon unsere Mütter und Väter im Glauben an Gott wandten: von Lob („Lobe den Herrn meine Seele...“, Psalm 103) und Vertrauen („Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln ...“, Psalm 23), bis hin zur bitteren Klage („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, Psalm 22). Wenn uns selbst vielleicht die Worte fehlen vor Freude oder Schmerz, können wir uns in diesen Worten der Bibel bergen. Auch über zweieinhalbtausend Jahre hinweg bringen sie mit einer unglaublichen Kraft und Frische menschliche Grundgefühle zum Ausdruck: von Freude und Dankbarkeit bis hin zu Unverständnis und sogar Zorn über Gottes Wege mit einem Menschen. Wenn wir die Psalmen beten,
wissen wir uns dabei verbunden mit Millionen von Menschen vor uns und mit uns, für die diese Gebete Quelle der Kraft waren und sind.
Die Psalmen werden oft passend zur Kirchenjahreszeit ausgewählt. Am 1. Advent betet die Gemeinde Psalm 24: „Machet die Tore weit...“; an Karfreitag den schon oben erwähnten Psalm 22; an Ostern Psalm 118: „Dies ist der Tag, den der Herr macht...“. Darauf antwortet die Gemeinde mit dem gesungenen „Ehre sei dem Vater“. Dass dies das Bekenntnis zum dreieinigen Gott einschließt, entspricht dem trinitarischen Eingangsvotum, von dem in der letzten Folge die Rede war.
Eingangsgebet und Stilles Gebet
Nach dem „Ehre sei Gott“ schließt sich das Eingangsgebet an, welches das Thema des Sonntags aufnehmen kann oder auch Gedanken des Psalmgebets in alltäglicher Sprache noch einmal anklingen lässt. Es gibt der Situation des Ankommens Raum, schließt oft die Bitte um Gottes Gegenwart für den Gottesdienst ein und führt hin zum Verkündigungsteil, der mit der Schriftlesung beginnt.
Aber hier ist nun noch vom Stillen Gebet zu reden, einer Württemberger Besonderheit. Es ist vielen Gottesdienstbesuchern wichtig und wahrlich der Rede wert. Seinen Platz hat es nach dem Eingangsgebet. Hier hat jeder Gottesdienstbesucher die Gelegenheit, das was ihm und ihr persönlich ganz besonders wichtig ist, in der Stille vor Gott zu bringen und darf darauf vertrauen, dass es bei ihm aufgehoben ist. Das Stille Gebet ist eine schöne Sondertradition, die uns auch daran erinnert, dass Zeiten der Stille vor Gott und des sich Öffnens Oasen in unserer hektischen Zeit sein können. Beim Stillen Gebet reiht sich der Liturg/die Liturgin in die Reihe der Betenden ein und wendet sich dem Altar zu.
Schließlich wird das Stille Gebet und der Eingangsteil des Gottesdienstes von der versammelten Gemeinde mit einer gesungenen Bitte um Gottes Gegenwart („Komm göttliches Licht“, EG Nr. 575) oder der Vergewisserung der Nähe Gottes („Nichts soll dich ängsten“, EG 576) beschlossen.
Manfred Harm
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