Neun bemerkenswerte Menschen aus Politik, Kir­che und Gesellschaft wurden in dieser Reihe bereits vorgestellt. Menschen, die bis heute durch ihr Reden, Schreiben und Handeln andere Menschen zum Nachdenken herausfordern und ihnen Anstö­ße geben. Eines ist ihnen bei allen Unterschieden gemein: Es sind Erwachsene. Zum Abschluss dieser Reihe soll nun eine Jugendliche vorgestellt werden, die schon als Kind von sich reden machte und 2013 mit 17 Jahren als jüngste Friedensno­belpreisträgerin in die Geschichte einging: Malala Yousafzai.

 

Malala Yousafzai (* 1997)

 
Malala Yousafzai wurde 1997 im Swattal in Paki­stan geboren. Die ganze Familie sind gläubige Muslime. Malalas Vater Ziauddin war Direktor einer privaten Schule, in der auch Mädchen unterrichtet wurden, bis sie durch die Taliban geschlossen wur­de. Seine Frau heißt Toorpekai und die zwei kleineren Brüder Malalas, Khus­hal und Apal. Ziauddin Yousafzai för­derte seine wissbegierige Tochter seit frühester Kindheit. Bildung wurde für Malala „das Tor zu einer magischen Welt“, eine moderne „Lampe Aladins“. Ihre eigene Mutter gehört noch einer Generation an, die in der Jugend weder lesen noch schreiben lernte.
Malala ist zehn Jahre alt, als die islamistischen Taliban 2007 im Swattal die Macht übernehmen und gewaltsam versuchen, den Bewohnern ihre menschenverachtenden Regeln aufzuzwingen. Sie wollen einen Gottesstaat errichten und die Scharia einführen. Über den alltäglichen Terror unter die­sem Regime beginnt Malala mit elf Jahren in einen Blog für die britischen BBC ein Internettagebuch zu schreiben.
Ihr Tagebuch wurde ihre Waffe gegen die „Männer mit merkwürdig langen Haaren und Bärten“, die Mädchen den Schulbesuch untersagen. Die Radika­len könnten ihr „das Leben nicht verbieten“, notfalls würde sie heimlich zum Unterricht gehen: „Morgen früh gehe ich wieder zur Schule“, mit diesem Ein­trag beginnt der Blog.
Vielen jungen Mädchen macht sie damit Mut, zieht aber immer mehr den Hass der radikalen Taliban auf sich. Im Oktober 2012 wird der Bus, mit dem Malala und ihre Mitschülerinnen fahren, von Tali­ban angehalten. Sie fragen nach ihr, einer schießt ihr in den Kopf und verletzt sie lebensgefährlich. Mala­la überlebt wie durch ein Wunder und wird nach erfolgreicher Operation nach England ausgeflogen. Einige Zeit später folgt die ganze Familie. Seit dem Frühjahr 2013 besucht sie in Birmingham die Schule. Unermüdlich setzt sie sich für die Bildungschan­cen von Kindern ein. Für mich ist es berührend, wie reflektiert, eindringlich und überzeugend sie von ihrem Traum spricht. Lassen wir sie selbst zu Wort kommen (Zitate aus ihrer Rede vor der UNO an ihrem 16. Geburtstag, am 12. Juli 2013):
„Liebe Freunde, am 9. Oktober 2012 haben die Taliban auf mich geschossen und meine linke Stirn getroffen. Auch auf meine Freunde haben sie geschossen. Sie haben gedacht, dass die Kugeln uns zum Schweigen bringen würden, aber sie sind gescheitert. Denn aus der Stille kamen tausende Stimmen. Die Terroristen dachten, sie könnten mei­ne Ziele verändern und meinen Ehrgeiz stoppen. Aber in meinem Leben hat sich nichts verändert mit einer Ausnahme: Schwä­che, Angst und Hoffnungslosigkeit sind verschwunden, Stärke, Kraft und Mut sind geboren (...).
Ich bin gegen niemanden, auch bin ich nicht hier, um aus persönlicher Rache gegen die Taliban oder irgendeine andere terroristische Gruppe zu spre­chen. Ich bin hier, um meine Meinung zu sagen für das Recht auf Bildung für alle Kinder. Ich wünsche mir Bildung für die Söhne und Töchter der Taliban und aller Terroristen und Extremisten (...).
Das ist das Mitgefühl, das ich von Mohammed gelernt habe, dem Propheten der Barmherzigkeit und von Jesus Christus und Buddha. Das ist das Erbe des Wandels, das ich von Martin Luther King, Nelson Mandela und Muhammad Ali Jinnah übernommen habe. Das ist die Philosophie der Gewaltlosigkeit, die ich von Gandhi, Badshah Khan und Mutter The­resa gelernt habe. Und das ist die Versöhnlichkeit, die ich von meinem Vater und meiner Mutter gelernt habe. Meine Seele sagt mir: Sei friedfertig und liebe alle (...).
Also lasst uns einen weltweiten Kampf wagen, gegen Analphabetismus, Armut und Terrorismus, lasst uns unsere Bücher und Stifte holen, sie sind unsere stärksten Waffen. Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern. Bil­dung ist die einzige Lösung. Bildung zuerst.“
Dieses kluge und mutige Mädchen hat Recht und erinnert uns daran, dass Waffen niemals beständig Frieden schaffen können. Vielleicht fürchten Tali­ban nichts so sehr wie Bildung und ganz besonders gebildete Frauen, weil Bildung das wahrscheinlich wichtigste Mittel gegen diese Art ideologischer Ver­blendung und den daraus erwachsenden welt- und gottvergessenen Terror ist.

                                                                       Manfred Harm

 

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