Martin Luther King (1929-1968)

„Wir haben gelernt, wie Vögel zu fliegen und wie Fische zu schwimmen, aber wir haben die einfache Kunst nicht erlernt, als Brüder zusammenzuleben.“ So umschreibt Martin Luther King die amerikanische Wirklichkeit seiner Zeit, in der es keine Gleichberech­tigung gab und in der die Nachfahren der ehemaligen Sklaven noch immer wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden und vielerorts noch nicht wählen durften. Erfüllt von seiner Vision bereitete Mar­tin Luther King den Weg, die Sklaverei endlich abzuschütteln: „Ich habe einen Traum, dass eines Tages diese Nation sich erheben und der wahren Bedeutung ihres Credo gemäß leben wird: ‚Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich erschaffen sind.‘“ Der Weg begann mit einem ganz alltäglichen Vorfall am 1. Dezember 1955. Als die schwarze Verkäuferin Rosa Parks in Montgomery auf dem Heim­weg von der Arbeit war, stieg sie müde in einen Bus hinter die für Weiße reservierten Plätze. Da befahl ihr der Busfahrer, weiter nach hinten zu sitzen, um wei­teren weißen Fahrgästen Platz zu machen. Rosa Parks blieb ruhig sitzen mit der Folge, dass sie verhaftet wur­de. Was folgte, war ein Omnibusstreik der schwarzen Bevölkerung. „Sie begriffen endlich, dass es besser ist, in Würde zu laufen, als unter beschämenden Bedin­gungen zu fahren“, sagte Martin Luther King, der zu der Zeit ein 26 Jahre alter Baptistenpfarrer in einer der vielen schwarzen Baptistengemeinden im Süden der USA war und gleich zum Wortführer der Bürgerrechts­bewegung wurde. Schon am ersten Streiktag predigte er: „Wir sind heute Abend hier, weil wir es satt haben. Wir sind es müde, ständig unterdrückt und brutal mit Füßen getreten zu werden. Heute Abend sind wir hier-hergekommen, um uns frei machen zu lassen von der Geduld, die uns mit etwas Geringerem als Freiheit und Gerechtigkeit zufrieden sein lässt.“

Den Weg, den Martin Luther King wählte, war der der Gewaltlosigkeit, orientiert an Jesu Wort von der Fein­desliebe und an Mahatma Gandhis Form des gewaltlo­sen Widerstands. „Christus gab uns Geist und Antrieb, Gandhi die Methode.“ Jede Gewalt wurde untersagt. „Die Liebe muss unser Tun bestimmen. Trotz der Misshandlungen, denen wir ausgesetzt sind, dürfen wir nicht bitter werden und müssen aufhören, unsere weißen Brüder zu hassen.“ Die Zahl der Mitstreiter gegen die Rassentrennung wuchs schnell an, es begann die Zeit der großen Freiheitsmärsche, zuerst im Süden der USA, dann im ganzen Land. Martin Luther King schöpfte seine Kraft aus der Kraft des Glaubens: „Es ist der Glaube, den ich euch Christen anbefehle, ein lebendiger, aktiver, starker, öffentlicher Glaube. Mit diesem Glauben werden wir fähig sein, aus dem Stein der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung zu hauen –

in dem Wissen, dass wir eines Tages frei sein werden.“ Martin Luther King wurde mehrfach verhaftet, es kam zu Massenunruhen und Gewaltausbrüchen. Trotz der Rückschläge erreichte die Bürgerrechtsbewegung im Jahr 1963 mit dem berühmten March on Washington am 28. August ihren Höhepunkt. Vor 250.000 Men­schen hielt Martin Luther King seine berühmte Rede vor dem Lincoln Memorial: „Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Geor­gia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum, dass eines Tages in Alabama klei­ne schwarze Jungen und Mädchen die Hände schütteln mit kleinen weißen Jungen und Mädchen als Brüder und Schwestern.“

Der March on Washington war der Durchbruch auf dem Weg zur Freiheit. Im Sommer 1964 wurde das Bür­gergesetz unterzeichnet, das das Wahlrecht für jeden, der sechs Jahre die Schule besucht hat, und das Verbot jeder Diskriminierung im Arbeits- und Beschäftigungs­wesen enthielt. In Recht und Verfassung war das Ziel Kings erfüllt, nicht aber in den Köpfen. Nach der Ver­leihung des Friedensnobelpreises setzte er sich für die Umsetzung des Gesetzes ein und kritisierte offen den Vietnamkrieg. Schon einmal war er bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt worden, nun stellte sich die Ahnung eines baldigen Todes ein. Anfang April 1968 sagte er in einer Predigt: „Nun ich weiß nicht, was jetzt geschehen wird. Schwierige Tage liegen vor uns. Aber das macht mir jetzt wirklich nicht viel aus. Denn ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen. Ich mache mir keine Sorgen. Wie jeder andere würde ich gerne lange leben. Langlebigkeit hat ihren Wert. Aber darum bin ich jetzt nicht besorgt. Ich möchte nur den Willen Gottes tun. Er hat mir erlaubt, auf den Berg zu steigen. Und ich habe hinüber gesehen. Ich habe das gelobte Land gesehen. Vielleicht gelange ich nicht dorthin mit euch. Aber ihr sollt heute Abend wissen, dass wir als ein Volk in das gelobte Land gelangen werden. Und deshalb bin ich glücklich heute Abend. Ich mache mir keine Sorgen wegen irgendetwas. Ich fürchte nieman­den. Meine Augen haben die Herrlichkeit des kom­menden Herrn gesehen.“ Am kommenden Tag, dem 4. April 1968 wurde Martin Luther King im Alter von 39 Jahren ermordet. Sein Traum jedoch von der Gleich­heit aller Menschen, von einer Welt ohne Hass und Ausgrenzung, ohne Diskriminierung und Verachtung ist lebendig und wichtiger denn je.

Stephan Glaser

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