Nacht der verlöschenden Lichter


Die erste Nacht der verlöschenden Lichter in Bebenhausen wurde am Gründonnerstag 1993 gefeiert. Der damalige Pfarrer hatte die Idee und einige Texte dazu mitgebracht.

Mit der „Nacht der verlöschenden Lichter“ wird Bezug genommen auf einen Brauch, den Dietrich Bonhoeffer in St. Petrus in Rom kennengelernt und über die er in einem Brief aus der Haft an Eberhard Bethge vom 23. Februar 1944 berichtet hat: 12 Kerzen auf dem Altar, die die Jüngerschar symbolisieren, werden nach und nach ausgelöscht, bis nur noch eine Kerze, die Christuskerze leuchtet. Damit wird anschaulich, dass Jesus von allen verraten, verleugnet oder verlassen wurde und wird. Die Stimmen einzelner, die mit Jesus auf dem Weg waren, erklingen in einer Sprechmotette. Jünger und Jüngerinnen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen gestehen sich ein, dass sie angesichts von Jesu Verhaftung nicht mehr bei ihm bleiben können und wollen.

Die ursprünglichen Texte wurden überarbeitet, weitere Rollen formuliert, insbesondere Frauenrollen. Von Anfang an war der Gottesdienst zur Nacht der verlöschenden Lichter eine Möglichkeit, dass unterschiedliche Menschen aus der Gemeinde mitmachen konnten. Bis heute werden nicht nur junge Menschen, z.B. Konfirmand/innen, sondern auch Neuzugezogene oder solche, die sonst nie in der Öffentlichkeit auftreten zum Mitmachen gewonnen. Damit ist die Feier ein Ort für generationenübergreifende Integration in die Gemeinde.

Später wurde der Versuch gewagt, den Ablauf des Gottesdienstes umzudrehen, also zunächst das Abendmahl zu feiern und anschließend die Sprechrollen zu Gehör zu bringen. Das war theologisch und psychologisch mutig. So wurde die theologische Spannung von Gründonnerstag über Karfreitag bis zum Dunkel des Ostermorgens stärker ins Bewusstsein gerufen. Zugleich verstärkte diese Abfolge auch die emotionale Betroffenheit, indem die Gottesdienstbesucher/innen jetzt aus der dunklen Kirche still in die Nacht gehen. Doch immer mehr Menschen kamen zu diesem Gottesdienst und zeigten damit, dass sie sich angesprochen fühlten.

Die feste Form dieses Gottesdienstes erlaubt es, sich in jedem Jahr mit den eigenen „Verratsgeschichten“ an diesem Abend einzufinden. Ein weiterer Effekt ist, dass man neugierig ist, wie diese oder jene Rolle in dem Jahr interpretiert wird und dass man sich gezielt für eine bestimmte Rolle zur Verfügung stellen kann.

Es sind vor allem drei Punkte, die die Bedeutung der Nacht der verlöschenden Lichter ausmachen:

1) Die Möglichkeit der Integration von Jung und Alt in eine gemeindliche Aktivität.

2) Die besondere Gemeinschaft, die jedes Jahr unter denen entsteht, die die Feier ausrichten. Man trifft sich schon zwei Stunden vor dem Gottesdienst in der Kirche um die Rollen zu üben, die konkrete Gestaltung abzusprechen und das Abendmahl vorzubereiten.

3) Durch die Tatsache, dass zu diesem besonderen Gottesdienst sehr viele Menschen von außerhalb kommen, wird erfahrbar, dass die Gemeinde auch ein Stück „Stadt auf dem Berge“, die man von weit her sieht, ist.

Dorothee Schad, Pfarrerin

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