Die Rückkehr der Klosterschüler

Der 21. April 1807 war ein denkwürdiges Datum für Bebenhausen: die Evangelische Klosterschule wurde durch Erlass König Friedrichs I. aufgelöst, und die 19 dort lebenden Schüler wurden mit ihren Lehrern in Maulbronn aufgenommen. Damit ging nach 250 Jahren eine Ära zu Ende: mit einer nur 15- jährigen Unterbrechung während des dreißigjährigen Krieges war im Kloster Bebenhausen eine „höhere evangeli­sche Schule“ zu Hause.

Herzog Ulrich hatte 1534 die Reformation in Würt­temberg eingeführt. Sein Sohn Christoph führte das Werk seines Vaters weiter. Seit 1556 entstanden in 13 ehemals katholischen Klöstern Württembergs evangelische Schulen. Hatten die Jungen ihre Eig­nung durch eine zentrale Prüfung, das Landexamen, nachgewiesen, war ihnen der Weg in die Schule geebnet. Jeder Schüler hatte freie Kost und Logis und bekam Kleider und Schuhe, Papier, Tinte sowie eine Bibel gestellt. Allerdings gingen sie die Verpflichtung ein, später im Evangelischen Stift in Tübingen Theologie zu studieren, um so den Pfarrernachwuchs in Württemberg sicherzu­stellen.

 

Der Schulleiter, wie die katholischen Vorgänger Abt genannt, war verantwortlich für die Verwaltung des Kloster­amtes und hatte Sitz und Stimme im Landtag und dadurch auch nicht unerheblichen politischen Ein­fluss. Er war als „Generalsuperintendent“ direkter Amtsvorgänger des heutigen Prälaten von Reutlingen In seiner Funktion als Schulleiter hatte er den Got­tesdienst in Bebenhausen zu leiten und die Schüler Theologie zu lehren. Erster evangelischer Schulleiter in Bebenhausen war Eberhard Bidembach, der Schwiegersohn des württembergischen Reformators Johannes Brenz.

Dem Abt unterstellt waren zwei Lehrer (Präzepto­ren). Sie hatten den größten Teil des Unterrichts zu versehen und, da der Abt durch seine politischen Aufgaben häufig abwesend war, auch oft zu predigen.

Die Alumni, wie man die Schüler nannte, kamen meist von den niederen Grammatikschulen nach Bebenhausen. Ihre Zahl schwankte im Laufe der Jahre zwischen 19 und 60. Unterrichtet wurden sie in Religion, Latein, Griechisch, Hebräisch, Logik, Rhe­torik und Mathematik, aber auch Fleiß, „Sitten“ und (Geistes-)„Gaben“ wurden benotet.

Der Tagesablauf war straff geordnet:

4 Uhr Morgenandacht, 6-10 Uhr Unterricht,

10 Uhr Mittagessen, 12-14 Uhr Unterricht,

15-16 Uhr Unterricht, 16 Uhr Andacht,

17 Uhr Abendessen, 21 Uhr Abendandacht,

22 Uhr Nachtruhe.

Ebenso wie der Tagesablauf war auch das Leben in der Klosterschule strengen Regeln unterworfen. Al­les, was den Anschein von „Allotria“ hatte, wie welt­liche Literatur und Spiele, Kaffeekochen, Schnee­ballwerfen oder „Schleifen auf dem Eis“, war verbo­ten.

Überhaupt waren die Vorschriften so formuliert, dass die Schulstatuten wohl auch von deren Übertretun­gen geprägt waren: „É am allersorgfältigsten (soll­ten) aber die schädlichen excursiones auf Tübingen É abgeschnitten und verhütet werden... wie denn dann auch das lange aufhalten zu Tübingen nur gelegenheit zu schweren Excessen und vielem rauschtrinken gibt.“

Die Kleidung der Schüler war einheitlich: schwarze Hosen, ein Wams, ein bis zur Wade reichender schwarzer Rock und ein Barett gehörten zum ge­wohnten aber von den Schülern ungeliebten Erscheinungsbild. Deshalb gab es ständig Klagen, und manche Schüler verkauften ihre Kleider in Tübingen, um andere zu erwerben.

Die Klosterschule Bebenhausen war trotz dieser heute zum Schmunzeln Anlass gebenden Anekdoten eine Bildungseinrichtung ersten Ranges, aus der viele bedeutende Namen hervorgingen, wie der der Pfarrersdynastie Osiander oder Schelling, dessen berühmtester Spross, der Philosoph Friedrich Wil­helm Joseph Schelling, 1786-1790 Schüler in Be­benhausen war.

Manfred Harm

 

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