Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945)

Von Dietrich Bonhoeffer gibt es viele verschie­dene Eindrücke: Da ist zuerst sein persönliches Schicksal, hingerichtet am 9. April 1945 in Flossenbürg, erhängt, dann verbrannt. Da ist der Dichter, der „Von wunderbaren Mächten“ zu Neujahr im Gefängnis geschrieben hat, das neben seinen ande­ren Gedichten bis heute tröstet, stärkt, begleitet. Da ist der Theologe, der kein einheitliches Werk hat hinterlassen können, der aber durch seine theolo­gischen Schriften und den zum Teil von Eberhard Bethge erst zusammengestell­ten Fragmenten, ganz neue Anstöße eingebracht hat („Billige/Teure Gnade“, „nichtreligiöse Interpretation“). Da ist der Universitätslehrer, der Leiter des Predigerseminars, der Ökumeniker. Und da ist der Widerständler, der gesagt hat: „Wenn ein Wahnsinniger mit dem Auto durch die Straßen rast, kann ich als Pas­tor, der dabei ist, nicht nur die Überfahrenen trösten und beerdigen, sondern ich muss dazwischen sprin­gen und ihn stoppen.“

Geboren wird Dietrich Bonhoeffer am 4. Februar 1906 in Breslau. Sein Vater, Karl Bonhoeffer, ist Professor für Psychiatrie und Neurologie, ab 1912 in Berlin. Dietrich Bonhoeffer wächst mit seinen sie­ben Geschwistern in großbürgerlichen Verhältnissen auf. Als sein Bruder Walter im Ersten Weltkrieg fällt, hat ihn das wohl mit dazu bewogen, Theologie zu studieren. Bonhoeffer studiert 1923/24 Theologie in Tübingen und dann in Berlin. Ein kurzes Zwischen­semester in Rom beeindruckt ihn. Beim Ostererleb­nis im Petersdom wird ihm der nationale, provinzi­elle und auch kleinbürgerliche Rahmen der eigenen Kirche bewusst. Die Universalität der Kirche war ihm vor Augen getreten. 1925 beginnt er seine Dok­torarbeit mit dem Titel „Communio sanctorum“, die er mit dem 1. Theologischen Examen mit 21 Jahren fertigstellt: Christus ist als Gemeinde existierend, in Christus sein heißt, in der Gemeinde sein. Das Prinzip der Stellvertretung ist ihm wichtig: das Ein­treten füreinander in der Gemeinde, der Starke für den Schwachen, auch im Gebet. Die Liebe fordert den Verzicht auf den eigenen Nutzen. Bonhoeffer entscheidet sich nun für den Dienst in der Kirche. Er wird 1928 Vikar der deutschen Handelsgemein­de in Barcelona, kehrt dann aber als Dozent an die Universität nach Berlin zurück und habilitiert sich 1930 mit der Schrift „Akt und Sein“. Zu jung für den Pfarrdienst führt ihn ein Auslandsstudienjahr 1930/31 in die USA. Dort lernt er gesellschaftlich und sozial engagierte Gruppen kennen. Ihn treibt die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung um, von deren religiöser Intensität in den Gottesdiensten er beeindruckt ist. Er lernt daraus, dass das Reich Gottes als ein Reich Gottes auf Erden ernst zu neh­men ist und die Kirche gesellschaftliche Verantwor­tung trägt. 1931 kehrt Bonhoeffer als weltoffener Dozent zurück. 1932 warnt er bereits vor Hitler. Als der Arierparagraph eingeführt wird, sieht Bonhoef­fer das Widerstandsrecht der Kirche gegeben. Man müsse dem Rad in die Speichen fallen, nicht nur die Verletzten unter dem Rad verbinden. Und: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregoria­nisch singen.“

Bereits zwei Tage nach Hitlers Machter­greifung hatte sich Bonhoeffer in einer unterbrochenen Radioansprache gegen das Führerprinzip gewandt: „Lässt der Führer sich von dem Geführten hinrei­ßen, dessen Idol darstellen zu wollen, dann gleitet das Bild des Führers über in das des Verführers. (...) Führer und Amt, die sich selbst vergotten, spotten Gottes.“ Bonhoef­fer übernimmt ein Auslandspfarramt in London, ihm wird die Lehrerlaubnis in Deutschland entzogen. Für die Bekennende Kirche leitet er ein Prediger­seminar in Zingst und Finkenwalde. 1940 erhält er Rede-, 1941 Druck- und Veröffentlichungsverbot. 1939 war Bonhoeffer nochmals kurze Zeit in Ame­rika (1942 sogar nochmals in Rom, der Schweiz, in Norwegen und in Schweden) gewesen, wollte dann aber gegen den Rat der Freunde nach Deutsch­land zurück, um als glaubwürdiger Zeuge bei den Bedrängten zu sein. „Es war ein Fehler von mir, nach Amerika zu kommen. Ich muss diese schwie­rige Periode unserer nationalen Geschichte mit den Christen in Deutschland durchleben. Ich werde kein Recht haben, an der Wiederherstellung des christli­chen Lebens nach dem Kriege in Deutschland mit­zuwirken, wenn ich die Prüfungen dieser Zeit nicht mit meinem Volk teile.“ Er schließt sich dem Wider­stand gegen Hitler an. Bonhoeffer tritt sogar für den Tyrannenmord wegen Hitlers Kriegstreiberei, der Verschleppung und Tötung der Juden und der Zer­störung der Grundlagen des Lebens (Ehe, Familie, Wirtschaft, Recht), ein.

Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer inhaftiert und in den letzten Kriegstagen hingerichtet. Als die Wäch­ter erscheinen, um ihn zur Hinrichtung abzuholen, soll Bonhoeffer einem mitgefangenen englischen Soldaten gesagt haben: „Sagen Sie dem Bischof (Bell), dies ist für mich das Ende, aber auch der Anfang. Mit ihm (dem Bischof) glaube ich an unse­re universale christliche Bruderschaft, die sich über alle nationalen Interessen erhebt, und glaube daran, dass uns der Sieg gehört.“

 Stephan Glaser

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